Entwicklung eines photonischen MEMS-Phasenschiebers aus Silizium mit Simulation

Optische Glasfasernetze, die das Rückgrat des Internets bilden, sind auf viele elektrische Signalverarbeitungsgeräte angewiesen. Nanoskalige siliziumbasierte, photonische Netzwerkkomponenten wie zum Beispiel Phasenschieber könnten die Geschwindigkeit, Kapazität und Zuverlässigkeit optischer Netzwerke erhöhen. Zur Entwicklung dieser kleinen und leistungsstarken Komponenten nutzt ein Team der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) Simulation, um sowohl die optische als auch die elektromechanische Leistung zu optimieren.


Von Alan Petrillo
Dezember 2021

Die moderne, durch das Internet vernetzte Welt wird oft als verkabelt beschrieben, dabei wird der größte Teil des Kernnetzdatenverkehrs tatsächlich über Glasfasern und nicht über elektrische Leitungen übertragen. Allerdings sind in der bestehenden Infrastruktur immer noch viele elektrische Signalverarbeitungskomponenten in Glasfasernetzen eingebettet. Ein Austausch dieser Komponenten gegen photonische Geräte könnte die Geschwindigkeit, Kapazität und Zuverlässigkeit der Netze erhöhen. Um das Potenzial dieser Zukunfts-Technologie auszuschöpfen, hat ein multinationales Team der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) den Prototyp eines photonischen Phasenschiebers aus Silizium entwickelt, der zu einem wesentlichen Baustein für die nächste Generation von Glasfaser-Datennetzen werden könnte.

Auf dem Weg zu volloptischen Netzen

Die Verwendung von photonischen Bauelementen zur Verarbeitung von photonischen Signalen scheint plausibel, warum also ist dieser Ansatz nicht bereits die Norm? „Das ist eine sehr gute Frage, die allerdings nicht ohne Weiteres beantwortet werden kann“, sagt Hamed Sattari, Ingenieur am Schweizerischen Zentrum für Elektronik und Mikrotechnologie (CSEM), der sich auf photonische integrierte Schaltungen (PIC) mit Schwerpunkt auf mikroelektromechanischen Systemen (MEMS) spezialisiert hat. Sattari spielte eine entscheidende Rolle im EPFL-Photonenteam, das den photonischen Silizium-Phasenschieber entwickelt hat. Um einen MEMS-basierten Ansatz in der optischen Signalverarbeitung zu verfolgen, machten Sattari und seine Kollegen sich die Vorteile der neuen Fertigungstechnologie zunutze. „Noch vor zehn Jahren konnten wir für diese Geräte keine verlässlichen, integrierten beweglichen Strukturen herstellen“, sagt Sattari. „Dank der heutigen Fertigungsmöglichkeiten der Mikroelektronikindustrie können Silizium-Photonik und MEMS nun in der Praxis zum Einsatz kommen. Wir wollen zeigen, wie diese Möglichkeiten genutzt werden können, um den Wandel der Glasfaser-Infrastruktur voranzutreiben.“

Das Phasenschieber-Projekt ist Teil der umfassenderen Anstrengungen der EPFL, programmierbare photonische Komponenten für faseroptische Datennetze und Raumfahrtanwendungen zu entwickeln. Zu diesen Bauelementen gehören Schalter, Chip-zu-Faser-Gitterkoppler, variable optische Dämpfungsglieder (VOA) und Phasenschieber, die optische Signale modulieren. „Verfügbare optische Phasenschieber für diese Anwendung sind in der Regel sperrig oder leiden unter Signalverlusten“, sagt Sattari. „Für uns ist es vorrangig, einen kleineren Phasenschieber mit geringeren Verlusten zu entwickeln und ihn für den Einsatz in vielen Netzwerkanwendungen skalierbar zu machen. Die MEMS-Steuerung beweglicher Wellenleiter könnte ein optisches Signal mit geringem Stromverbrauch auf kleinstem Raum modulieren“, erklärt er.

Wie ein beweglicher Wellenleiter hilft, optische Signale zu modulieren

Der MEMS-Phasenschieber ist ein ausgeklügelter Mechanismus mit einem scheinbar einfach klingenden Zweck: Er passt die Geschwindigkeit des Lichts an. Die Phase des Lichts zu verschieben, bedeutet, es zu verlangsamen. Wenn Licht ein Datensignal überträgt, bewirkt eine Änderung seiner Geschwindigkeit eine Änderung des Signals. Schnelle und präzise Phasenverschiebungen modulieren so das Signal und unterstützen die Datenübertragung mit minimalen Verlusten im gesamten Netz. Um die Phase des Lichts, das durch einen Lichtwellenleiter oder einen Bus-Wellenleiter läuft, zu ändern, bewegt der MEMS-Mechanismus ein Stück lichtdurchlässiges Silizium, den so genannten Koppler, in die Nähe des Busses.

Abbildung 1. Zwei Bewegungsstufen für den MEMS-Mechanismus im Phasenschieber.

Die Konstruktion des MEMS-Mechanismus im Phasenschieber sieht zwei Bewegungsstufen vor (Abbildung 1). Die erste Stufe ermöglicht eine einfache Ein-Aus-Bewegung des Koppler-Hohlleiters, wodurch der Koppler in den Bus ein- oder ausgekoppelt wird. Wenn der Koppler eingekoppelt ist, wird durch die zweite Stufe ein feinerer Bewegungsbereich bereitgestellt. Dadurch lässt sich der Abstand zwischen dem Koppler und dem Bus einstellen, was eine präzise Modulation der Phasenänderung des optischen Signals ermöglicht. „Wenn man den Koppler in Richtung Bus bewegt, ändert sich die Phase des Signals“, erklärt Sattari. „Der Koppler ist aus Silizium mit einem hohen Brechungsindex gefertigt. Wenn die beiden Komponenten gekoppelt sind, läuft eine Lichtwelle, die sich durch den Bus bewegt, auch durch den Koppler, und die Welle wird langsamer.“ Wenn die optische Kopplung von Koppler und Bus nicht sorgfältig kontrolliert wird, kann die Wellenform des Lichts verzerrt werden, wodurch das Signal – und die Daten – verloren gehen können.

Design im Nanomaßstab mit optischer und elektromechanischer Simulation

Die Herausforderung für Sattari und sein Team bestand darin, einen Mechanismus im Nanomaßstab zu entwickeln, um den Kopplungsprozess so präzise und zuverlässig wie möglich zu steuern. Da ihr Phasenschieber mit Hilfe von elektrischem Strom ein optisches Element bewegt, verfolgten Sattari und das EPFL-Team einen zweigleisigen Ansatz für das Design des Geräts. Ihr Ziel war es, zu ermitteln, wie viel Spannung an den MEMS-Mechanismus angelegt werden muss, um eine gewünschte Verschiebung des photonischen Signals zu bewirken. Die Simulation war ein wesentliches Instrument zur Ermittlung der verschiedenen Werte, die das Verhältnis zwischen Spannung und Phase bestimmen. „Spannung vs. Phase ist eine komplexe Multiphysik-Frage. Die COMSOL Multiphysics® Software gab uns viele Möglichkeiten, dieses große Problem in kleinere Aufgaben zu unterteilen“, sagt Sattari. „Wir führten unsere Simulation in zwei parallelen Ansätzen durch, wobei wir das RF Module für die optische Modellierung und das Structural Mechanics Module für die elektromechanische Simulation verwendeten.“

Die optische Modellierung (Abbildung 2,3) umfasste eine Modalanalyse, mit welcher der effektive Brechungsindex der gekoppelten Wellenleiterelemente bestimmt wurde, gefolgt von einer Untersuchung der Signalausbreitung. „Unser Ziel ist es, dass das Licht nur mit der gewünschten Phasenänderung in unser Gerät ein- und austritt“, sagt Sattari. „Um dies zu erreichen, können wir die Eigenmoden unseres Systems in COMSOL® berechnen.“

Abbildung 2. Links: Das Licht läuft von links nach rechts durch einen Pfad, der aus einem optischen Bus und einem gekoppelten beweglichen Wellenleiter besteht. Rechts: Querschnitte einer simulierten Lichtwellenform beim Durchgang durch die gekoppelte Vorrichtung. Indem das EPFL-Team den Abstand zwischen den beiden optischen Elementen in ihrer Simulation anpasste, konnte es feststellen, wie dieser Abstand die Geschwindigkeit oder Phase des optischen Signals beeinflusste. Bilder mit freundlicher Genehmigung der EPFL und lizenziert unter CC BY 4.0.
Abbildung 3. Simulation der Verformung der Trägerstruktur des beweglichen Hohlleiters. Die dünnen Elemente, an denen der bewegliche Wellenleiter aufgehängt ist, verbiegen sich als Reaktion auf eine angelegte Spannung. Bild mit freundlicher Genehmigung der EPFL und lizenziert unter CC BY 4.0.
Abbildung 4. Die optische Simulation (links) ermittelte den vertikalen Abstand zwischen dem Koppler und dem Wellenleiter, der zu einer gewünschten Phasenverschiebung des optischen Signals führen würde. Die elektromechanische Simulation (rechts) ermittelte die Spannung, die beim Anlegen an den MEMS-Mechanismus den Wellenleiter des Kopplers in den gewünschten Abstand vom Bus bringen würde. Bilder mit freundlicher Genehmigung der EPFL und lizenziert unter CC BY 4.0.

Neben der Bestimmung der physischen Formen des Wellenleiters und des Auslösemechanismus ermöglichte die Simulation Sattari auch die Untersuchung von Belastungseffekten, wie z. B. unerwünschte Verformungen oder Verschiebungen durch wiederholte Auslösung. „Jede einzelne Designentscheidung wird auf Grundlage der Simulationsergebnisse getroffen“, sagt er.

Die Grundlage für künftige photonische Netze schaffen

Ziel dieses Projekts war es, zu zeigen, wie MEMS-Phasenschieber mit den vorhandenen Fertigungsmöglichkeiten hergestellt werden können. Das Ergebnis ist ein robustes und zuverlässiges Design, das mit bestehenden oberflächenmikrobearbeiteten Fertigungsverfahren erzielt werden kann und eine Gesamtgrundfläche von nur 60 μm × 44 μm umfasst. Nachdem Sattari und seine Kollegen den Konzeptnachweis erbracht haben, freuen sie sich darauf, ihre Entwicklung weltweit in die optischen Netzwerke zu integrieren. „Wir schaffen Bausteine für die Zukunft, und es wird uns eine große Freude sein zu sehen, wie ihr Potenzial Wirklichkeit wird", sagt Sattari.

Referenzen

  1. H. Sattari et al., "Silicon Photonic MEMS Phase-Shifter," Optics Express, vol. 27, no. 13, pp. 18959–18969, 2019.
  2. T.J. Seok et al., "Large-scale broadband digital silicon photonic switches with vertical adiabatic couplers," Optica, vol. 3, no. 1, pp. 64–70, 2016.