Modellierung von Streuströmen eines Stadtbahnsystems

22. Nov 2024

Stadtbahnen (Light Rail Transit, LRT) sind eine effiziente und nachhaltige Methode, um städtische Gebiete zu durchqueren. Durch den elektrischen Antrieb sind LRT-Systeme in der Regel kostengünstig, schnell und zuverlässig. Die Möglichkeit, dass Streuströme von den Schienen unterirdische Metallstrukturen korrodieren, gibt jedoch Anlass zur Sorge. Schäden an unterirdischen Rohren oder Tanks können etwa zu kostspieligen Reparaturen und Erneuerungen führen. In diesem Blog-Beitrag zeigen wir anhand eines Beispiels, wie Modellierung und Simulation zur Untersuchung der Auswirkungen von Streuströmen eines Zuges auf ein nahe gelegenes Stahlrohr eingesetzt werden können, wodurch das Design verbessert und die Korrosion gemindert werden kann.

Risiken und Vorteile von LRT-Systemen

Stadtbahnen, die mittlerweile ein fester Bestandteil der meisten Städte sind, fahren mit elektrisch betriebenen Stadtbahnfahrzeugen (Light Rail Vehicles, LRVs). Diese kurzen Züge wurden aus Oberleitungsbussen und Straßenbahnen weiterentwickelt und schlängeln sich zusammen mit Autos, Fußgängern und Radfahrern durch die Straßen, wobei sie Ampeln und Signalen folgen. Sie fahren überwiegend oberirdisch mit einer relativ konstanten Geschwindigkeit von 10 bis 30 Meilen pro Stunde auf eigenen Trassen und werden meist über Oberleitungen mit Strom versorgt, statt über eine elektrifizierte dritte Schiene. Obwohl die Stadtbahnen aufgrund ihrer geringeren Größe auch leichter sind, bezieht sich das „Light“ in „Light Rail Transit“ auf ihre geringere Tragfähigkeit im Vergleich zum schweren Schienenverkehr.

Seitenansicht eines Stadtbahnfahrzeugs, das auf der grünen Linie durch die Innenstadt von Salt Lake City, Utah, in Richtung Süden fährt.
Ein Trax-Stadtbahnfahrzeug der Utah Transit Authority, das auf der grünen Linie durch die Innenstadt von Salt Lake City in Richtung Süden fährt. Dieses Bild ist lizenziert durch Creative Commons Attribution 2.0 Generic über Wikimedia Commons.

Da LRVs mit Strom betrieben werden, sind sie sicherer und kostengünstiger in der Herstellung, Wartung und im Betrieb als nichtelektrische Verkehrsmittel. Im Gegensatz zu dieselbetriebenen Güterzügen müssen LRVs auch nicht große Mengen an fossilen Brennstoffen mitführen, welche teuer, umweltschädlich und potenziell hochexplosiv sind. Elektrische Züge haben weniger bewegliche Teile und verursachen nur sehr geringe Kohlendioxidemissionen, was sie zu einem umweltfreundlichen Verkehrsmittel macht.

Trotz dieser zahlreichen Vorteile haben LRVs auch ihre Risiken, nicht zuletzt, weil die meisten von ihnen mit Gleichstrom betrieben werden. Bei der Verwendung von Gleichstrom – im Gegensatz zu Wechselstrom, der sich besser für schwerere und schnellere Züge eignet – sind Streuströme immer faradisch und können elektrochemische Prozesse wie Korrosion auslösen (weitere Informationen finden Sie in unserem Modell Alternating Current-Induced Corrosion). Umgekehrt sind die Ströme bei Wechselstromantrieb, welcher normalerweise bei einer Frequenz von 16 2/3 Hz arbeitet, überwiegend kapazitiv. Korrosion an unterirdischen Metallstrukturen wie Rohrleitungen, metallummantelten Kabeln und Lagertanks ist daher ein mögliches Risiko, das von LRT-Systemen mit Gleichstromversorgung ausgehen kann. Diese Korrosionsschäden können kostenaufwändige Reparaturen oder sogar gefährliche Situationen wie das Bersten von Erdgasleitungen oder den Verlust der strukturellen Integrität von Gebäuden und Infrastrukturen oder sogar des LRT selbst zur Folge haben.

Wie entstehen Streuströme?

Die Züge von Gleichstrom-Stadtbahnen werden normalerweise über Oberleitungen mit Strom aus Unterwerken (Traction Substations, TSS) versorgt, wobei die Schienen als Leiter für den zurückfließenden Strom dienen. Die Schienen sind parallel zum Boden verlegt und können, da sie auf Schwellen und/oder Schotter (Kies) aufliegen, über die gesamte Schienenlänge als geerdet betrachtet werden. Unter bestimmten Boden- und Konstruktionsbedingungen können Teile des Stroms alternative Wege außerhalb der Schienen wählen. Diese Teile werden als Streuströme bezeichnet. Das um die Schienen herum erzeugte Potenzialfeld gibt den Strompfad an, wobei der Strom in der Nähe der Zugposition in metallische Objekte eintritt und in der Nähe des TSS austritt. An den kathodischen Eintrittsstellen findet eine Reduktion statt, in der Regel eine Sauerstoffreduktion, und an den anodischen Austrittsstellen findet eine Oxidation bzw. Korrosion statt.

Schema der Streustromkorrosion an einer unterirdischen Rohrleitung.
Ein detailliertes Schema der Streustromkorrosion an einer unterirdischen Rohrleitung. Bild aus Ref. 4, das unter Attribution 4.0 International lizenziert ist. Es wurden keine Änderungen am Bild vorgenommen.

Wie können Streuströme gemindert werden?

Eine gängige Methode zur Minderung von Streuströmen ist die Verringerung der Entfernungen, über die sich Streuströme bilden können, etwa durch eine erhöhte Anzahl von Schienenverbindungen und TSS. Die elektrische Isolierung zwischen den Schienen und dem Boden kann ebenfalls verbessert werden. Für diesen Ansatz ist es jedoch erforderlich, dass die Schienen vollständig von anderen metallischen Installationen mit geringem Erdungswiderstand getrennt sind. Die Ableitung von Streuströmen ist eine häufig genutzte Alternative, kann jedoch schwer zu kontrollieren sein. Die Verwendung nichtmetallischer Objekte, wie Polymerrohre, und die Neupositionierung empfindlicher Infrastruktur sind manchmal die einzigen in Frage kommenden Möglichkeiten.

Vor der Einführung von LRT-Systemen in Städten sollten die Auswirkungen möglicher Korrosion durch Streuströme umfassend untersucht werden. Simulationssoftware ermöglicht die Analyse dieses Phänomens, ohne dass kostenintensive physische Prototypen erforderlich sind. Mithilfe mathematischer Modelle können Ingenieure viele verschiedene Szenarien simulieren, um bei der Schienenverlegung Korrosionsschäden vorherzusagen und somit zu vermeiden.

Korrosionsüberwachung

Das Modell Stray Currents from a Train in a Light Rail Transit System zeigt und analysiert die korrosiven Auswirkungen von Streuströmen auf Metall. Das Modell simuliert zwei parallele Schienen, die auf Schwellen und Schotter liegen und zwei TSS über ein 3D-Bodenprofil verbinden. Die Schienen sind schlecht isoliert und es sind keine weiteren Schutzmaßnahmen vorhanden. In der Nähe der Schienen befindet sich ein Stahlrohr.

Um das Gleis und das Rohr herum gibt es verschiedene Bodenarten. Hier werden die Auswirkungen der Streuströme auf das Rohr und deren Veränderung durch die Anpassung der Bodenleitfähigkeit und der Rohrposition beim Vorbeifahren eines Zuges untersucht.

Die Geometrie des Stadtbahnmodells mit einem Ausschnitt, der eine vergrößerte Ansicht der Schwellen, Schienen und des Schotters zeigt.
Darstellung der Modellgeometrie, einschließlich der Schienen, des Rohrs und der verschiedenen leitfähigen Böden.

Studie und Ergebnisse

In diesem Beispiel ermöglicht die Software COMSOL Multiphysics® die Definition von Materialien, die mit am Streustrom beteiligten elektrochemischen Reaktionen in Zusammenhang stehen, welcher die Schienen und Rohre verlässt und in sie eintritt. Die Materialbibliothek Corrosion bietet mehrere Materialoptionen. Für jedes Material im Boden werden die einzelnen Elektrolytleitfähigkeiten definiert. Der vorbeifahrende Zug wird als bewegliche Stromquelle betrachtet. Die Unterwerke versorgen den Zug mit einem aus Beschleunigungs-, Brems- und Leerlaufphasen bestehenden Antriebsstrom. Leicht anpassbare Geometrieoptionen erlauben das Hinzufügen, Umformen, Entfernen oder Neupositionieren von Objekten. Dieses Beispiel zeigt die Auswirkungen der Neupositionierung des Rohrs.

Die Benutzeroberfläche von COMSOL Multiphysics zeigt den Model Builder mit der Auswahl External Current Source, das entsprechende Einstellungsfenster und ein Modell des Stadtbahnsystems im Grafikfenster.
Die Einstellungen External Current Source stellen den Zug und die Ergebnisse für das Basisszenario dar.

In diesem Modell wurde ein parametrischer Sweep verwendet, um drei verschiedene Szenarien zu untersuchen: ein Basisszenario, ein Szenario mit sandigem Lehm, der als Lehm behandelt wurde, und ein Szenario, bei dem das Rohr um 50 Meter verschoben wurde.

Simuliertes Potenzialfeld und lokale Stromdichte über dem 3D-Bodenprofil im Basisszenario.

Die 3D-Animation zeigt die entscheidenden Zugpositionen beim Auftreten von Streustrom und die Ausbreitung des Potenzialfeldes in der Nähe der Schienen. Akzeptable Potenzialschwankungen an Materialien in verschiedenen Gewässern und Böden werden meist untersucht, um Bereiche hervorzuheben, die für metallische Objekte besonders schädlich sein können.

Das Rohr ist an der Stelle, an der es liegt, sehr exponiert, sodass die berechnete Korrosionsrate in der Nähe des Abfahrtsortes nach 54 s ihren Höhepunkt erreicht. Dieses Verhalten ist zu erwarten, da der Strom in der Nähe des TSS aus dem Rohr austritt und der Rücklaufweg des Stroms lang ist.

Ein Vergleich der Ergebnisse der verschiedenen Szenarien zeigt, dass die Korrosion des Rohrs abnimmt, wenn der spezifische Widerstand im Boden höher ist. Schienen auf lehmigem Boden erfordern daher sehr wahrscheinlich mehr Maßnahmen zur Streustromminderung. Das neupositionierte Rohr korrodiert weniger, sodass die Neupositionierung eine gute Alternative ist, um die Lebensdauer des Rohrs zu verlängern.

Ein 1D-Plot, der die Korrosionsrate von Rohren für drei verschiedene Szenarien darstellt. Der Plot enthält die Rohrlänge auf der x-Achse und die Korrosionsrate auf der y-Achse.
Rohrkorrosionsrate für die untersuchten Szenarien, wenn der Zug 700 m von TSS 1 entfernt ist (bei 54 s in der Simulation).

Probieren Sie es selbst aus

Möchten Sie Streuströme eines Zugs in einem LRT-System modellieren? Laden Sie die entsprechende MPH-Datei in der Application Gallery herunter:

Weitere Lektüre

Referenzen

  1. W. von Baeckmann et al., “Handbook of Cathodic Corrosion Protection”, Elsevier Science, 1997; https://shop.elsevier.com/books/handbook-of-cathodic-corrosion-protection/von-baeckmann/978-0-88415-056-5
  2. D. Teodorović & M. Janić, “Transportation, environment, and society”, Elsevier eBooks, pp. 747–886, 2017; https://doi.org/10.1016/b978-0-323-90813-9.00011-4
  3. Z. Cai, X. Zhang, and H. Cheng, “Evaluation of DC-Subway Stray Current Corrosion With Integrated Multi-Physical Modeling and Electrochemical Analysis” IEEE Access, vol. 7, 168404, 2019. http://doi.org/10.1109/ACCESS.2019.2953960

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