Die Bedeutung der Wärmestrahlung für Ihre Modelle

23. Aug 2019

Meiner Erfahrung nach ist die Strahlung der am meisten unterschätzte Aspekt des Wärmetransports und wird oft vernachlässigt, was sich verheerend auf die Genauigkeit der Ergebnisse einer Thermomanagement-Studie auswirken kann. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick darauf, wann und wie die Strahlung in einem Modell für den Wärmetransport berücksichtigt werden sollte — und wann sie vernachlässigt werden kann.

Thermische Prozesse untersuchen

Die Untersuchung von thermischen Prozessen in Komponenten, Geräten oder ganzen Gebäuden ist eine grundlegende Aufgabe für viele Branchen wie die Mikroelektronik und die Luft- und Raumfahrt. Wenn wir über thermische Prozesse sprechen, gibt es drei Hauptmechanismen, die dabei stattfinden können:

  1. Wärmeleitung
  2. Thermische Konvektion
  3. Wärmestrahlung

Wie viel jeder dieser Prozesse zum gesamten Wärmetransport beiträgt, hängt von der Aufgabenstellung und den Betriebsbedingungen ab. Der Anteil der einzelnen Prozesse kann auch zeitlich und räumlich variieren.

Meiner persönlichen Erfahrung nach neigen Simulationsingenieure, die sich der Wärmeleitung und Konvektion durchaus bewusst sind, manchmal dazu, die Rolle der Strahlung zu unterschätzen. Es gibt jedoch Indikatoren, die wir überprüfen können, um zu sehen, ob die Strahlung in einem bestimmten Modell nicht vernachlässigt werden sollte.

Wann ist Strahlung wichtig?

Die Frage ist nicht, ob Wärmestrahlung vorhanden ist (das ist sie immer), sondern vielmehr, wie groß ihr Einfluss auf das Gesamtbudget des Wärmetransports ist. Es gibt Situationen, in denen die Strahlung eine wichtige Rolle spielt und berücksichtigt werden muss, damit die Ergebnisse eines Modells korrekt sind.

Große Unterschiede zwischen Oberflächen- und Umgebungstemperaturen

Dies ist wahrscheinlich der offensichtlichste Fall, wenn wir uns fragen, ob Strahlung eine wichtige Rolle spielt. Wenn die Temperatur an der Oberfläche eines Objekts oder Geräts hoch ist, wird eine Menge Wärmestrahlung an die Umgebung abgegeben. Nach dem Stefan–Boltzmann–Gesetz steigt die Strahlungsleistung, j*, eines Schwarzkörpers mit der vierten Potenz der Temperatur T (j* ~ T4). Wenn die Temperatur im Vergleich zur Umgebungstemperatur hoch ist, wird viel Nettoenergie durch Strahlung von der Oberfläche abtransportiert. Ein Beispiel für große Temperaturunterschiede ist eine Glühlampe, bei der der Glühfaden in wenigen Sekunden Temperaturen von etwa 1772°C erreicht, während die Umgebungstemperatur vielleicht 25°C beträgt.

Ein Bild, das eine in COMSOL Multiphysics® modellierte Glühlampe zeigt.
Temperaturverteilung in einer Glühlampe unter Berücksichtigung von Strahlung, Wärmeleitung und Konvektion.

Großer Oberflächenemissionsgrad (nahe 1)

Der Emissionsgrad ε einer Oberfläche ist der Anteil der Wärmestrahlung im Verhältnis zu einem idealen Schwarzkörper. Beachten Sie, dass ε von 0 (keine Emission) bis 1 (maximale Emission, entspricht einem Schwarzen Körper) variiert. Je näher der Wert des Emissionsgrads bei 1 liegt, desto größer ist die Strahlungsemission und damit auch der Anteil der Wärmestrahlung am gesamten Wärmetransport. Eine Glühlampe ist ebenfalls ein gutes Beispiel für einen hohen Oberflächenemissionsgrad, da der Emissionsgrad des Glühfadens optimiert ist und nahe bei 1 liegt.

Starke externe Strahlung

Wenn große externe Strahlungsleistungen auftreten, müssen diese bei der Gesamtbetrachtung der Wärmeströme berücksichtigt werden. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Sonneneinstrahlung, die vor allem bei freistehenden Anlagen oder Gebäuden eine große Rolle spielen kann.

 

Geringe Wärmeleitung und Konvektion

Wenn der Wärmetransport durch Wärmeleitung und Konvektion sehr gering ist (z.B. im Weltraum oder in Vakuumsystemen), steigt der Anteil der Wärmestrahlung am gesamten Wärmestrom naturgemäß an. Ein alltägliches Beispiel dafür ist ein Raum, in dem der Boden kühler ist als die Decke. Aufgrund dieser Temperaturverteilung ist die Schichtung in einem solchen Raum stabil und es findet keine natürliche Konvektion statt. Auch die Konduktion ist vernachlässigbar gering, da Luft ein guter Isolator ist. Die Wärmestrahlung verbleibt dann als der dominierende Transportmechanismus.

Kurze Zeitskalen

Wärmeleitung ist ein recht langsamer Prozess und die Geschwindigkeit der Konvektion hängt von der Geschwindigkeit des sich bewegenden Fluids ab. Beide Mechanismen laufen auf einer viel längeren Zeitskala ab als die Wärmestrahlung, die mit Lichtgeschwindigkeit erfolgt. Wenn Sie einen Prozess auf einer kurzen Zeitskala analysieren, kann es sein, dass die Strahlung der einzige Mechanismus ist, der einen messbaren Einfluss auf den Wärmetransport hat.

Im Zweifelsfall: Testen Sie’s!

In vielen Fällen ist es schwierig, den Anteil der Wärmestrahlung am Gesamtprozess im Voraus zu quantifizieren. Um sicher zu sein, ob die Strahlung eine Rolle spielt oder nicht, sollten wir Vergleichsberechnungen mit und ohne Strahlung durchführen.

Schauen wir uns ein einfaches Beispiel an, ein Tutorial-Modell aus der COMSOL Application Gallery: das Stromschienenmodell. Dieses Modell umfasst Wärmeleitung und Konvektion, berücksichtigt aber nicht die Wärmestrahlung. Wir können dies einbeziehen, indem wir ein Surface-to-Surface Radiation Interface und einen Heat Transfer with Surface-to-Surface Radiation Multiphysics-Knoten hinzufügen, der das neue Interface mit dem bestehenden Heat Transfer in Solids Interface verbindet.

Für die Berechnung der Wärmestrahlung müssen wir einen Wert für den Emissionsgrad der Oberfläche festlegen, der für Titan und Kupfer für das Stromschienenmodell aus der Literatur entnommen werden kann. Für einen Test wird der Wert sowohl für Kupfer als auch für Titan auf 0,3 gesetzt. Die Abbildung unten zeigt den Temperaturunterschied zwischen dem Modell ohne Strahlung und dem Modell, das die Strahlung von Oberfläche zu Oberfläche berücksichtigt. Der Unterschied beträgt etwa 8°C, was bedeutet, dass die Strahlung die Ergebnisse erheblich beeinflusst.

Eine Darstellung der Temperaturdifferenz in einer Stromschiene, die mit und ohne Strahlungseffekte modelliert wurde.
Vergleich zwischen dem Stromschienenmodell ohne Strahlung und dem Modell mit Oberflächenstrahlung. Die Grafik zeigt, dass der Temperaturunterschied zwischen den beiden Modellierungsansätzen etwa 8°C beträgt.

Ein parametrischer Sweep mit verschiedenen angelegten Spannungen und einem variierenden Emissionsgrad zwischen 0,1 (blankes Metall) und 0,7 (stark oxidiertes Metall) für Kupfer zeigt das Ergebnis noch deutlicher. Je nach dem Wert des Oberflächenemissionsgrads ε und der angelegten Spannung kann die Strahlungsleistung den Wärmetransport leicht dominieren und sollte unbedingt berücksichtigt werden. Die Eigenschaften können sich auch während der Lebensdauer des Geräts ändern und dadurch die Leistung des Wärmetauschers beeinflussen. Diese sich ändernden Eigenschaften können in das Modell einbezogen werden. In diesem Fall kommt es zu einer Oxidation der Stromschiene, die den Emissionsgrad der Oberfläche erhöht, was wiederum die Performance stark beeinflusst.

Eine Darstellung des gesamten Wärmetransports im Stromschienenmodell.
Eine Darstellung der maximalen Temperatur im Stromschienenmodell.

Prozentualer Anteil der Wärmestrahlung am gesamten Wärmetransport der Stromschiene (links) und maximale Stromschienentemperatur (rechts) in Abhängigkeit von der angelegten Spannung und für verschiedene Grade der Oberflächenoxidation.

Fazit

Wärmestrahlung kann ein bedeutender Faktor für den Wärmetransport sein. Im Zweifelsfall sollten wir immer prüfen, ob die Strahlung eine wichtige Rolle für das Gesamtergebnis eines Modells spielt. Es gibt Kriterien, um dies zu überprüfen, und im Zweifelsfall hilft auch eine Vergleichsberechnung. Wenn Wärmestrahlung berücksichtigt werden soll, bietet die COMSOL Multiphysics® Software die richtigen Werkzeuge, die an die jeweiligen Anforderungen angepasst werden können, um Wärmestrahlung korrekt zu implementieren.

Das Stromschienenmodell mit Oberflächenstrahlung steht zum Download bereit, wenn Sie auf die Schaltfläche unten klicken.

Erfahren Sie mehr über die Simulation von Wärmestrahlung


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