Wenn Sie den Namen Samsung hören, denken Sie wahrscheinlich an Smartphones und Fernsehgeräte. Doch Samsung hat sich zum Ziel gesetzt, auch im Audiobereich die Nummer eins zu sein. Um dies zu erreichen, hat Allan Devantier, Head of Acoustics bei Samsung Research America, das Samsung Audio Lab in Kalifornien von Grund auf neu aufgebaut. Sein Team von auf Wandler, digitale Soundprozessoren (DSP), Akustik, Programmierung und mehr spezialisierten Ingenieuren war schon zusammengestellt, aber es fehlte noch ein Teil des Puzzles…
Entwicklung eines Lautsprechers: „Mono“- vs. „Stereo“-Ansatz
Fragen Sie einen Audiophilen, ob er ein Mono– oder ein Stereo-System bevorzugt, und er wird Ihnen den Rest des Tages ein Ohr abkauen. Ohne ins Detail zu gehen: Ein Mono-System hat nur einen Kanal, was seine Fähigkeiten einschränkt, während ein Stereo-System mehrere Kanäle hat, die mehrere Quellen parallel über mehrere Lautsprecher wiedergeben können, was ein besseres Klangerlebnis erzeugt. Wir können eine ähnliche Analogie verwenden, um den Entwicklungsprozess von Lautsprechern zu beschreiben.
Die „Mono“-Entwicklung meint die Entwicklung eines Lautsprechers über nur einen Kanal. Dieser „Kanal“ kann unterschiedlicher Art sein:
- Prototyping als einzige Methode zum Testen eines Designs
- Betrachtung einer Einzelphysik bei der Simulation eines komplexen Systems
- Ein einzelner Ingenieur, der Analysen für andere Teammitglieder durchführt
Bei der „Stereo“-Entwicklung von Lautsprechern hingegen arbeiten mehrere miteinander verbundene Quellen parallel:
- Wiederholte Simulation, Prototyping, Tests und Prüfungen
- Multiphysik-Analysen, die Akustik, Elektromagnetik und Schwingungen berücksichtigen
- Ein Team, das eine Vielzahl von Fachkenntnissen mitbringt
Eine Maßnahme, durch die das Entwicklungsteam von Samsung Audio Lab seinen Zyklus von „Mono“ auf „Stereo“ umstellte, war die Aufnahme eines Simulationsingenieurs in das Team. Im Jahr 2014 kam Andri Bezzola als Ingenieur mit Spezialisierung auf Simulation und numerische Analyse an Bord. Devantier beschreibt den Simulationsingenieur als „den Klebstoff, der alle zusammenhält“.
Wir haben das Samsung Audio Lab besucht, um zu erfahren, wie Multiphysik-Simulation, Modellierung und Apps zur Entwicklung von Lautsprechern und anderen Audioprodukten eingesetzt werden. In diesem Video hören (und sehen) Sie alles darüber…
Lautsprecher und Soundbars bergen viele Design-Herausforderungen
Da Fernsehgeräte immer dünner werden, müssen die Lautsprecher im Inneren des Geräts auch immer kleiner werden, damit sie hineinpassen. Dies steht in direktem Kontrast zu der gängigen Meinung, dass ein großartiger Klang große Lautsprecher erfordert. Außergewöhnliche Leistung ist jedoch genauso wichtig wie minimale Größe. Wie findet Samsung das Gleichgewicht zwischen diesen Anforderungen?
Bei der Entwicklung eines Lautsprechers gibt es einige Aspekte, die entscheidend für die Klangqualität sein können. Als Neuling im Audiobereich musste Andri zunächst einiges über Audiotechnik und Akustik lernen, bevor er seine Simulationskenntnisse zur Lösung dieser Probleme einsetzen konnte.
Frequenzgang
Hat der Ton Ihres Lautsprechers jemals schrill, dröhnend oder dumpf geklungen (wie wenn man sich eine leere Papierhandtuchrolle vor den Mund hält und spricht)? Wenn ja, dann wurde die Klangqualität durch den suboptimalen Frequenzgang des Lautsprechers beeinträchtigt.
Ein guter Frequenzgang erzeugt einen neutralen, flachen und angenehmen Klang. Um sicherzustellen, dass der Klang stimmt, kann der Frequenzgang durch eine Kombination verschiedener elektronischer Hilfsmittel wie DSP sowie das Design des Lautsprechers, das Bezzola mit Hilfe von Simulationen analysiert, gesteuert werden.
Ungleichmäßige Schallverteilung
Haben Sie schon einmal mit einer Gruppe von Freunden einen Film gesehen und festgestellt, dass einige Leute den Fernseher gut hören, während andere den Dialog kaum verstehen können? Dieser Effekt tritt auf, wenn die Lautsprecher des Fernsehers den Ton ungleichmäßig in den Raum abstrahlen. Dies nennt man das Abstrahlverhalten oder die räumliche Antwort des Lautsprechers.
Ein Lautsprecher sollte den Schall gleichmäßig in den Raum abstrahlen, so dass Sie hochwertigen Klang erleben, unabhängig davon, ob Sie sich in einem akustischen „Sweet Spot“ befinden oder nicht. Im Gegensatz zum Frequenzgang kann dieser Faktor nur durch das Design der mechanischen Teile des Lautsprechers, wie der Wellenleiter, kontrolliert werden. Bezzola stellt sich dieser Herausforderung, indem er mithilfe von Simulationen nicht nur das Design eines Wellenleiters bestimmt, sondern auch die richtige Position für eine optimale Schallverteilung.
Harsche und raue Effekte
Die Nichtlinearität eines Lautsprechers kann dazu führen, dass Töne zu harsch sind und Stimmen rau klingen. Leider sind Lautsprecher von Natur aus nichtlinear.
Wenn sich die Schwingspule im Inneren eines Lautsprechers bewegt, tritt sie bei jedem Schritt und an jeder Position in Wechselwirkung mit einem anderen Magnetfeld. Um diesen nichtlinearen Effekt zu untersuchen, simuliert Bezzola verschiedene Positionen des Lautsprechers unter der Annahme, dass die Schwingspule in dieser Position fixiert ist, und führt für jede Position eine lineare Simulation durch (welche er als „pseudo-nichtlineare Simulation“ bezeichnet).
Diese Taktik vermittelt jedoch kein vollständiges Bild, denn die Schwingspule erzeugt bei ihrer Bewegung ein eigenes Magnetfeld, das mit dem Magnetfeld der Magnete in Wechselwirkung tritt. Um dieses Verhalten zu berücksichtigen, ist eine vollständig gekoppelte Magnetsimulation erforderlich. „Deren Lösung dauert viel länger“, sagt Bezzola, „aber sie gibt uns ein besseres Bild davon, wie sich die Nichtlinearitäten gegenseitig beeinflussen.“
Das klingt vor allem nach viel Arbeit, aber ein gut ausbalancierter Lautsprecher liefert einen guten Klang mit satten Bässen – ein angenehmes Hörerlebnis.
Ein Produktentwicklungszyklus, der Homeruns erzielt
Bezzola stellt sich den Workflow bei der Entwicklung von Lautsprechern gerne wie ein Baseballspiel vor. Analytische Lösungen bringen Samsung ins Stadion: Sie sind ein guter Anfang, aber nur Näherungswerte, da sie ausschließlich für perfekte Formen gelten. Bezzola sagt: „Wir verwenden numerische Simulationen, um auf das Spielfeld zu kommen und das Spiel zu beginnen“, da sie detaillierte Komponenten und Betriebsszenarien analysieren können. Die Optimierung ermöglicht es Samsung schließlich, den Homerun zu erzielen und die Konkurrenz zu schlagen. Wie Bezzola sagt, ist er in der Lage, „die letzten Details der Simulationsanalysen zu verfeinern, um den optimalen Klang zu erzielen.“
Mit Multiphysik-Simulation zum Schlag ausholen
Mithilfe von Simulationen analysiert Bezzola sowohl die einzelnen Komponenten eines Lautsprechers (wie Wellenleiter, Gehäuse und Wandler) als auch das gesamte Gerät. Einige seiner Analysen konzentrieren sich auf ein Phänomen einer Einzelphysik, während andere multiphysikalische Wechselwirkungen wie die zwischen der Lautsprechermembran (Struktur) und dem Schalldruck (Luft) einbeziehen.
Bezzola dazu: „Ein Lautsprecher ist von Natur aus ein multiphysikalisches Gerät. Wir haben Elektromagnete, die ein Magnetfeld erzeugen und mit einer Schwingspule gekoppelt sind, die eine strukturelle Membran bewegt, die wiederum die Ausbreitung von Schallwellen im Raum bewirkt.“ Die Software COMSOL Multiphysics® ist ein Multiphysik-Simulationswerkzeug zur Durchführung von Mehrkomponenten- und Multiphysikanalysen. „Die Kombination der Physikbereiche in COMSOL Multiphysics® ist nahtlos“, sagt Bezzola, „man muss sich also nicht um die Kopplung kümmern.“
Da mehrere Komponenten und Physikbereiche involviert sind, betrachtet Bezzola oft mehrere Ergebnisparameter, wie das akustische Verhalten an einem Tag und das strukturelle Verhalten am nächsten Tag. Beim Postprocessing der Ergebnisse schätzt Bezzola, dass in COMSOL Multiphysics® automatisch die gesamte Lösung zur Verfügung gestellt wird und nicht vor der Simulation definiert werden muss.
Testen und Prüfen schlagen den Ball aus dem Stadion
Eine erfolgreiche Multiphysik-Analyse bedeutet nicht den Abschluss des Entwicklungsprozesses. Das Samsung Audio Lab verfügt über zwei Absorberkammern, die das Entwicklerteam zum Testen von Prototypen nutzt. Die Freifeldkammer ist an allen Seiten mit Schaumstoffkeilen ausgestattet und wird für die Messung von Lautsprecherprototypen verwendet, die für nahezu jeden Standort abseits von Wänden gedacht sind, wie eine Soundbar auf einem Bücherregal oder tragbare Lautsprecher.
Die andere Kammer hat auf einer Seite eine massive Wand, die die Umgebung eines an der Wand montierten Fernsehers nachahmt. In solchen Betriebsszenarien wirkt sich die Wand tatsächlich auf die Klangqualität des Geräts aus, weshalb es wichtig ist, die Leistung des Lautsprechers in dieser Umgebung zu testen.
Links: Eine Soundbar wird in der Freifeld-Absorberkammer getestet. Rechts: Die Absorberkammer mit der massiven Wand wird zum Testen von Lautsprechern verwendet, die an der Wand montiert werden sollen. Die Fotos wurden im Samsung Audio Lab in Kalifornien aufgenommen und mit Genehmigung von Samsung veröffentlicht.
Die Absorberkammern ermöglichen es Bezzola, seine Simulationsergebnisse zu prüfen, da beide Testmethoden versuchen, idealisierte Bedingungen zu schaffen. Die Kammern werden auch verwendet, um isolierte Analysen an einem Prototyp durchzuführen und festzustellen, welche Effekte vom Lautsprecher und welche vom Raum ausgehen.
In echofreien Tests wird auch ermittelt, wie gut ein Lautsprecher einen Raum mit Schall ausleuchtet (was durch seine Wellenleiterkomponente gesteuert wird). Wenn man sich den Schall wie Licht vorstellt, dann kann ein Lautsprecher entweder eine Glühbirne oder eine Taschenlampe sein. Bei niedrigen Frequenzen breitet ein Lautsprecher den Schall in alle Richtungen aus (wie das Glühen einer Glühbirne wird er als omnidirektional bezeichnet), während er den Schall bei hohen Frequenzen in einem engen Strahl ausbreitet (wie eine Taschenlampe hat er eine hohe Richtwirkung). Die Tests in der Absorberkammer können den Übergang zwischen dem Glühbirnen- und dem Taschenlampenverhalten des Lautsprechers zeigen.
Links: Der Schalldruckpegel bei einer niedrigen Frequenz (Glühbirne). Rechts: Der Schalldruckpegel bei einer hohen Frequenz (Taschenlampe).
Eine gemeinsame Leistung
Im Laufe der Zeit erkannte Bezzola, dass die Wandleringenieure in seinem Team immer wieder wegen Simulationsanalysen zu ihm kamen und beschloss, das zu ändern. Er nutzte den Application Builder in COMSOL Multiphysics®, um aus seinen Wandlermodellen spezielle Simulations-Apps zu erstellen, mit denen die anderen Ingenieure alltägliche Berechnungen durchführen können, ohne zu Bezzola gehen oder auf seine Hilfe warten zu müssen.
Bei den Apps für Wandler hat Bezzola nur eine gewisse Anzahl an Schaltflächen und Eingaben zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise müssen die Ingenieure, von denen die meisten keine Erfahrung im Umgang mit herkömmlicher Simulationssoftware haben, nur einige voreingestellte Elemente anklicken, um die benötigten Ergebnisse zu erhalten. Ein weiterer Vorteil? Bezzola hat mehr Zeit, sich neuen Projekten zu widmen.
Der systematische Ansatz, der bei Samsung für das Design von Lautsprechern, Soundbars und anderen Audioprodukten verwendet wird, kombiniert Modellierung, Optimierung, Prototyping und Testen ebenso wie die Expertise und Erfahrung der Audio-, Mechanik- und Simulationsingenieure.
Die Zukunft im Samsung Audio Lab klingt vielversprechend
Die Einführung der Simulation in den Workflow der Lautsprecherentwicklung hat Samsung geholfen, seine Kernproduktgruppe schneller und kostengünstiger zu optimieren als mit Prototypen allein. „Im Vergleich zum traditionellen Designzyklus können wir durch den Einsatz von Simulationen wirklich viel Zeit und Prototypen einsparen“, sagt Bezzola. Aus der Sicht von Devantier führt die Simulation zu neuen Ideen, die das Team sonst nicht ausprobiert hätte: „Das Samsung Audio Lab sieht die Simulation als einen Weg, um auf dem Audio-Markt voranzukommen.“
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