
Mit der Veröffentlichung der Version 6.3 der Software COMSOL Multiphysics® steht im Interface Solid Mechanics eine neue Randbedingung Interior Contact zur Verfügung. Diese Randbedingung vereinfacht den Workflow beim Setup eines strukturmechanischen Problems und bietet Vorteile bei der Multiphysik-Modellierung, insbesondere bei der Berechnung elektromagnetischer Felder. Im Folgenden wollen wir uns den neuen Workflow und die Vorteile der Verwendung dieser Randbedingung im Zusammenhang mit der Berechnung des elektrischen Kontakts an einer Schraubverbindung zwischen Wechselstrom-Stromschienen ansehen.
Kontaktbedingungen eines verschraubten Stromschienenmodells
In unserem Fall betrachten wir eine Schraubverbindung zwischen zwei Kupferschienen, die bei 60 Hz einen Strom von 1 kA führen. Die Schraube besteht aus Stahl und ist so festgezogen, dass an der Kontaktfläche zwischen den Schienen ein hoher Kontaktdruck entsteht. Dieser Kontaktdruck verringert den elektrischen Kontaktwiderstand zwischen den beiden Kupferstücken, sodass der Strom hauptsächlich durch den Kontaktbereich fließt. Fließt jedoch Wechselstrom durch einen Leiter, wird er aufgrund des Skin-Effekts zu den äußeren Rändern des Leiters gedrängt. Diese beiden Phänomene wirken gegensätzlich, und genau dieses Verhalten wollen wir mit unserem Modell erfassen.
Eine Schraubverbindung zwischen zwei Stromschienen aus Kupfer. Der elektrische Widerstand gegen den Stromfluss (blaue Pfeile) hängt davon ab, wie fest die Schraube angezogen ist. Die Symmetrieebene ist grau hervorgehoben.
Das Problem der Strukturmodellierung
Unser Ansatz geht von der Annahme aus, dass die relative Verschiebung zwischen den beiden Stromschienen und der Schraube nicht signifikant ist. Das heißt, wir gehen davon aus, dass das strukturelle oder elektrische Verhalten nur durch den Kontaktdruck und nicht durch die relative Bewegung der Kontaktflächen beeinflusst wird. Unter dieser Annahme ist es möglich, dies als ein geometrisch lineares Problem zu behandeln, weshalb wir die Änderung der Form oder Ausrichtung der Gebiete nicht berücksichtigen müssen. Diese Annahme bedeutet, dass wir die Randbedingung Interior Contact verwenden können.
Der Vorteil der Bedingung Interior Contact in Bezug auf die Verwendbarkeit liegt darin, dass sie in Kombination mit der Methode Form Union anstelle der Methode Form Assembly verwendet werden kann. Durch die Verwendung der Methode Form Union ist das Netz selbst über alle Grenzen hinweg immer zusammenhängend, auch wenn das berechnete Verschiebungsfeld über die Grenzen hinweg diskontinuierlich sein kann. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass der Rechenaufwand des Kontaktsuchalgorithmus vermieden wird. Eine Verfeinerung des Netzes in diesem Kontaktbereich ist dennoch wünschenswert, da wir eine gute Auflösung der Spannungen an der Schnittstelle erhalten möchten.
Bild des Netzes, das im Kontaktbereich zwischen den beiden Stromschienen verwendet wird.
Hinweis: Wenn Sie stattdessen die Methode Form Assembly verwenden, werden automatisch alle Kontaktflächen erkannt und sogenannte Kontaktpaare erstellt. Dieser Workflow ist jedoch mit zusätzlichen Einrichtungs- und Lösungskosten verbunden. Der Vorteil des Ansatzes mit Form Assembly besteht darin, dass er beliebige Gleitbewegungen und große relative Verformungen zulässt.
Mehr dazu erfahren Sie in unserem Artikel „Structural Contact Modeling Guidelines“ im Learning Center.
Zusätzlich zur Randbedingung Interior Contact umfasst das Interface Solid Mechanics das Feature Bolt Pretension, das wir in unserem Modell auf eine vereinfachte Schraubengeometrie anwenden werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie solche Schraubverbindungen modelliert werden können, wobei der hier verwendete Ansatz von der Kontinuität der Felder zwischen Schraubenkopf, Mutter und Stromschienen ausgeht. Das Modell enthält auch ein Feature Thermal Expansion (ein Unterknoten des Knotens Linear Elastic Material), das Spannungen berücksichtigt, die aufgrund der Nichtübereinstimmung der Wärmeausdehnungskoeffizienten von Stahlschraube und Kupferschienen entstehen. In diesem Fall wird von einer isothermen Baugruppe ausgegangen, was unter vielen Betriebsbedingungen eine vernünftige Annahme ist, da Kupfer ein sehr guter Wärmeleiter ist.
Der hier betrachtete Fall kann durch Ausnutzung der Symmetrie um die Mittelebene weiter vereinfacht werden. Wenn wir zuerst die Schraubenvorspannung und dann die daraus resultierenden Verformungen und Spannungen lösen, können wir den Kontaktdruck visualisieren. Wie erwartet ist dieser um die Schraube herum zentriert und nimmt in der Größe ab. Dieser Kontaktdruck beeinflusst den elektrischen Widerstand zwischen den Stromschienen. Wir werden dieses Phänomen als Nächstes in das elektromagnetische Modell einbeziehen.
Visualisierung der Größe des Kontaktdrucks um die Schraube herum.
Das Problem der elektromagnetischen Modellierung
Hier interessieren wir uns vor allem für den Skin-Effekt, also induzierte Ströme, die aufgrund der Wechselstromanregung im Kontaktbereich entstehen. Für diese Art von Analyse muss das Interface Magnetic and Electric Fields verwendet werden, das eine Randbedingung Electrical Contact enthält, mit der der Ohmsche Verlust an einem Rand zwischen Leitern modelliert werden kann. Diese Randbedingung wird als Unterknoten der Randbedingung Magnetic Continuity angewendet, die die Kontinuität des Magnetfelds erzwingt. Sowohl das Magnetfeld als auch der Strom sind über den Rand hinweg kontinuierlich, aber aufgrund des Kontaktwiderstands gibt es ein elektrisches Feld über den Rand hinweg. Dieser Widerstand kann entweder aus der Korrelation nach Cooper, Mikic und Yovanovich oder der elastischen Korrelation nach Mikic berechnet werden, wobei beide die Kontaktdruckberechnungen aus dem Feature Internal Contact des Interface Solid Mechanics als Eingabe verwenden.
Bei Verwendung der Randbedingung Magnetic Continuity muss die Randbedingung Magnetic Continuity auch auf alle angrenzenden Ränder innerhalb des modellierten Gebiets angewendet werden. Das heißt, es darf keine freien Kanten der Bedingung Magnetic Continuity innerhalb des modellierten Raums geben. Für den hier modellierten Fall bedeutet dies, dass die Bedingung Magnetic Continuity unter Verwendung ihres Unterknotens Electric Insulation auf alle Ränder zwischen den Leitern und der Luft angewendet wird. Diese Bedingung erzwingt, dass es keinen Stromfluss – weder Leitungsstrom noch Verschiebungsstrom (kapazitiver Strom) – über die Ränder vom Leiter in die Luft geben kann.
Illustration der Flächen, auf die die Randbedingungen Electrical Contact (magenta) und Electric Insulation (cyan) angewendet werden. Innerhalb des Modellierungsbereichs gibt es keine freien Kanten dieser Ränder.
Die äußeren Ränder des Modellierungsraums werden durch eine Kombination aus einem Perfect Magnetic Conductor zur Erzwingung der Symmetriebedingung und der Bedingung Magnetic Insulation modelliert, wobei die Unterknoten Ground, Electric InsulationTerminal hinzugefügt werden, um den Stromfluss durch die Stromschienenbaugruppe anzuregen. Nach der Lösung des strukturellen Problems wird das elektromagnetische Problem in einem anschließenden Studienschritt im Frequenzbereich gelöst. Dabei wird die Annahme der einseitigen Kopplung vom strukturell-thermischen Modell zum elektrischen Modell ausgenutzt.
Screenshot des Modellaufbaus. Contact pressure in den Einstellungen des Feature-Unterknotens Electrical Contact der Randbedingung Magnetic Continuity wird anhand der Ausgabe von Interior Contact im Interface Solid Mechanics berechnet.
Die Verluste an der Oberfläche können in einem Plot dargestellt werden, um die konkurrierenden Effekte des Kontaktwiderstands, der in der Nähe der Schraube geringer ist, und des Stroms, der in der Nähe der äußeren Ränder der Stromschienen fließen möchte, zu zeigen.
Plot der Verluste an der elektromagnetischen Schnittstelle, der die konkurrierenden Effekte des verringerten Kontaktwiderstands nahe der Mitte und des Skin-Effekts, der den Strom von der Mitte verdrängt, hervorhebt.
Ein Stromlinienplot des Stromflusses durch die Baugruppe verdeutlicht diesen Skin-Effekt sowie das Pinching des Stromflusses im Kontaktbereich.
Stromlinienplot der elektrischen Ströme, der das Pinching des Stromflusses hervorhebt.
Schnellere und einfachere Modellierung von Schraubverbindungen
Die neue Randbedingung Interior Contact im Interface Solid Mechanics ermöglicht es Ihnen, schnell und einfach Situationen zu modellieren, in denen keine signifikante relative Bewegung zwischen den Kontaktflächen stattfindet, wie es bei Schraubverbindungen häufig der Fall ist. Diese Bedingung kann mit der Methode Form Union verwendet werden, wodurch ein zusammenhängendes Netz an den Rändern zwischen den Teilen ermöglicht wird. Dies führt zu einer schnelleren Konvergenz und erleichtert das Hinzufügen anderer Physiken, etwa über das Interface Magnetic and Electric Fields, die zusammenhängende Netze erfordern. Diese Kombination ist nützlich bei der Modellierung des elektrischen Kontakts an Schraubverbindungen und kann auch in vielen anderen Fällen eingesetzt werden.
Um praktische Erfahrungen mit der neuen Randbedingung und dem in diesem Blog-Beitrag besprochenen Modell zu sammeln, klicken Sie auf die Schaltfläche unten.
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