Wir freuen uns, seit COMSOL Multiphysics® Version 6.1 ein Interface zur Berechnung von Strahlungslasten auf Satelliten in Umlaufbahnen anbieten zu können. Dieses Interface, Orbital Thermal Loads, ist Teil des Heat Transfer Module und wird für die Definition der Satellitenbahn und -ausrichtung, für Bahnmanöver und für verschiedene Planeteneigenschaften verwendet. Über das Interface werden die thermischen Lasten der Sonne, der Albedo und des Erdinfrarots berechnet, die dann zur Berechnung der Satellitentemperatur über die Zeit verwendet werden können.
Hintergrund
Das thermische Design von Satelliten ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Ein Satellit besteht aus vielen Teilen, die temperaturempfindlich sein können: Sensoren, Kameras, Funkgeräte, Elektronik, Akkus, Lageregelungssysteme und Solarpaneele müssen alle in einem bestimmten Temperaturbereich gehalten werden, und auch die Satellitenstruktur selbst muss innerhalb bestimmter Temperaturgrenzen bleiben, um übermäßige thermische Verformungen zu vermeiden. Viele der Komponenten geben Wärme ab und der Satellit ist außerdem verschiedenen thermischen Lasten im Infrarotbereich (IR) aus der Umgebung ausgesetzt. Bei der Entwicklung eines Satelliten ist es wichtig, zu verstehen, wie diese Wärme am besten abgestrahlt werden kann, damit der Satellit innerhalb der gewünschten Betriebsbedingungen arbeitet.
Die von den verschiedenen elektronischen Komponenten erzeugte Wärme ist in der Regel einfach zu definieren, aber die Umgebungsbelastung kann überraschend komplex sein. Da ist zunächst der direkte, kollimierte solare Flux, der auf alle der Sonne zugewandten Oberflächen einfällt. Bei Satelliten in erdnahen Umlaufbahnen wird der auf der Tageslichtseite der Erde einfallende solare Flux diffus auf die der Erde zugewandten Oberflächen des Satelliten reflektiert. Das Ausmaß dieser Reflexionen hängt sowohl von den lokalen Oberflächeneigenschaften der Erde als auch von den wechselnden atmosphärischen Bedingungen ab. Insgesamt macht der diffus reflektierte solare Flux etwa ein Drittel des direkten solaren Fluxes aus und wird als Albedo-Flux bezeichnet. Wenn der Satellit in eine Eklipse eintritt, sinken diese direkten Sonnen- und Albedo-Faktoren auf Null, aber es gibt noch eine dritte Wärmequelle, die immer vorhanden ist: Die Erde ist warm und wirkt als diffuser Strahler, wobei die Stärke der IR-Strahlung des Planeten sowohl vom Breitengrad als auch vom Längengrad abhängt.
Die Kenntnis dieser zeitlich veränderlichen Umgebungsflüsse sowie ihrer Verteilung über die Satellitenoberflächen ist eine notwendige Eingabe für die Berechnung der Satellitentemperatur, bei der die Wärmeleitung innerhalb der festen Bauteile und die Strahlung von allen exponierten Oberflächen berücksichtigt werden müssen. Es ist üblich, diese Umgebungsflüsse in zwei Bereiche zu unterteilen: das Solarband und das Umgebungsband. Der Grund dafür ist, dass die Sonne bei etwa 5780 K vorwiegend kurzwellige Strahlung aussendet, während der Satellit und die Erde beide bei etwa 300 K liegen und vorwiegend langwelligere IR-Strahlung aussenden. Diese Unterteilung ist wichtig, da die Absorptionseigenschaften der Außenbeschichtungen des Satelliten für das Wärmemanagement oft speziell auf die Wellenlänge abgestimmt sind. Ein Ansatz die Betriebstemperatur des Satelliten so niedrig wie möglich zu halten besteht darin, Oberflächenbeschichtungen mit einem niedrigen Absorptionsvermögen (Emissionsgrad) im Solarband und einem hohen Emissionsgrad im Umgebungsband zu verwenden.
Der Strahlungswärmetransport, den ein Satellit in der Umlaufbahn erfährt, hängt von seiner Position und Ausrichtung relativ zur Erde und zur Sonne ab. Bild der Erde: Visible Earth und NASA.
Ein Satellit mit konstanter Masse, der einen viel massiveren kugelförmigen Planeten umkreist, folgt einer elliptischen Bahn. Diese Bahn kann durch die Keplerschen Bahnelemente beschrieben werden, die eine periodische Umlaufbahn beschreiben. Die Bahnelemente werden verwendet, um (über die Mittelpunktsgleichung) die Koordinaten des Satelliten im äquatorialen Koordinatensystem (ECS) zu berechnen.
Neben der Kenntnis der Position des Satelliten im Lauf der Zeit ist es auch notwendig zu wissen, wie er ausgerichtet ist. Dies beginnt mit der Definition des Satellitenkoordinatensystems über eine Reihe von Satellitenachsen. Je nach Missionsparametern sind diese Satellitenachsen in bestimmte Richtungen ausgerichtet, z. B. zur Erde, zur Sonne, zur eigenen Bewegungsrichtung oder zu einem festen Punkt am Himmel. Es kann auch wünschenswert sein, die Definitionen dieser Achsen und ihre Ausrichtungen ändern zu können, zum Beispiel, um ein Instrument auf einen geografischen Ort auszurichten. Der Satellit kann sich auch langsam um eine oder mehrere Achsen drehen oder relativ schnell taumeln. Änderungen in der Ausrichtung wirken sich sowohl auf die Lasten als auch auf den Schattenwurf des Satelliten aus. Ein hervorstehender Teil des Satelliten, wie etwa ein Solarpanel oder ein Instrument, wird die dahinter liegenden Flächen beschatten. Wenn sich Solarpaneele oder andere bewegliche Elemente drehen, verändert dies ebenfalls den Schattenwurf und die Belastung. Wenn der Satellit hingegen schnell rotiert, bedeutet dies eine Mittelung der Umgebungslasten.
Wenn alle Missionsparameter bekannt sind, können alle Umgebungslasten berechnet werden. Dann ist es ganz einfach, das Temperaturprofil des Satelliten im Lauf der Zeit zu berechnen. Lassen Sie uns einen Blick auf das Interface Orbital Thermal Loads werfen und uns genauer ansehen, wie mithilfe all dieser Eingaben eine thermischen Analyse des Satelliten durchgeführt werden kann.
Übersicht über das Interface Orbital Thermal Loads
Das Interface Orbital Thermal Loads funktioniert ähnlich wie jedes andere Interface innerhalb der Produktpalette von COMSOL Multiphysics und nutzt die Vorteile des einheitlichen Workflows. Sie beginnen Ihre Simulation mit einer der folgenden Optionen:
- Erstellung einer eigenen CAD-Beschreibung der Struktur innerhalb der Software unter Verwendung der enthaltenen CAD-Modellierungsfunktionen oder des Design Module
- Import aus einer CAD-Datei, wie zum Beispiel einer Parasolid®-, ACIS®– oder STEP-Datei
- Verwendung eines der LiveLink™-Schnittstellenprodukte für CAD, um COMSOL® bidirektional mit Ihrer CAD-Plattform zu verbinden
Anschließend verwenden Sie die Funktionalität für die CAD-Vereinfachung und -Bereinigung sowie für das Vernetzen, Lösen und Auswerten der Ergebnisse ähnlich wie bei jedem anderen Workflow. Wenn Sie also bereits COMSOL-Anwender sind, werden Sie sich schnell mit diesem Interface zurechtfinden.
Im Rahmen eines typischen Workflows wird das Interface Orbital Thermal Loads in drei Schritten verwendet, die drei verschiedenen Studientypen entsprechen. Zunächst werden die Bahnelemente sowie die Satellitenachsen und-ausrichtung definiert und entweder eine oder mehrere Umlaufperioden mit dem Studienschritt Orbit Calculation berechnet. Auf diese Weise können wir die Missionsparameter schnell überprüfen, bevor wir über den Studienschritt Orbit Thermal Loads die Bestrahlungsstärke aus allen Umgebungsquellen berechnen. Sobald diese Bestrahlungsstärken berechnet und gespeichert sind, werden sie verwendet, um die Temperatur der Struktur und die Strahlung von Oberfläche zu Oberfläche zwischen allen exponierten Oberflächen über die Zeit mithilfe des Studienschritts Orbital Temperature zu berechnen. In Fällen, in denen die Umgebungslasten für jede Umlaufbahn gleich sind, können die Lasten für nur eine Umlaufbahn berechnet und für die thermische Analyse zeitlich wiederholt werden.
Das Interface Orbital Thermal Loads kann für sich allein verwendet werden, um die Wärmelasten der Umgebung zu berechnen, aber in der Regel wird es zusammen mit den Interfaces Heat Transfer in Solids und Events verwendet. Das Interface Heat Transfer in Solids berechnet die Temperaturverteilung innerhalb der festen Struktur des Satelliten, und das Interface Events verfolgt Eklipsen und Neuausrichtungen sowie alle anderen plötzlichen Zustandsänderungen, wie zum Beispiel das Ein- und Ausschalten von Instrumenten.
Screenshot des Interfaces Orbital Thermal Loads mit den drei dazugehörigen Studientypen.
Die Einstellungen für das Interface sind im obigen Screenshot zu sehen und ähneln den Einstellungen für das Interface Surface-to-Surface Radiation, verwenden jedoch standardmäßig das Zwei-Band-Modell Solar and ambient. Strahlung ist immer zwischen allen exponierten Oberflächen vorhanden, sowohl außerhalb als auch innerhalb des Satelliten.
Sehen wir uns die Standard-Features in diesem Interface an.
Zunächst definiert das Feature Sun Properties die Richtung des einfallenden Sonnenlichts im äquatorialen Koordinatensystem sowie den solaren Flux. Für Sun direction stehen vier vordefinierte Optionen zur Verfügung. Die Optionen sind in Bezug auf die Tagundnachtgleichen und Sonnenwenden der Erde definiert, die den Sonnenvektor und den solaren Flux steuern. Sie können auch Ihren eigenen Sonnenvektor eingeben und diesen zu einem zeitlich variablen Ausdruck machen. Wenn Sie ein Multiband-Spektralmodell verwenden, kann die Sonne entweder als schwarzer Strahler behandelt werden, der in jedem Band einen definierten Flux hat, oder über eine Verteilung des Fluxes als Funktion der Wellenlänge. In der Regel genügt es, die Sonne als schwarzen Strahler zu behandeln, was das Standardverhalten ist.
Das Feature Sun Properties gibt die Orientierung des Sonnenvektors und des solaren Fluxes an.
Als nächstes enthält das Feature Planet Properties mehrere Parameter, die für die Berechnung der Umlaufbahn und der Eklipsen benötigt werden. Der Parameter Planet longitude at start time orientiert den Planeten unter dem Satelliten und ist wichtig, wenn Bahnmanöver in Bezug auf einen Standort auf dem Boden angegeben werden oder wenn die Planeteneigenschaften eine Funktion von Breiten- und Längengrad sind. Der Abschnitt Radiative Properties kann verwendet werden, um die Albedo und die Infrarotbelastung des Planeten zu aktivieren. Sowohl die Albedo als auch der Planet infrared flux können als Funktion des Breiten- und Längengrades angegeben werden. Diese Daten können aus einer Kalkulationstabelle oder aus Bilddaten eingelesen werden. Der Planet wird durch eine Diskretisierung behandelt, bei der der sichtbare Teil des Planeten in eine Reihe von Feldern mit gleichen Sichtfaktoren unterteilt wird. Wenn die Albedo oder die Infraroteigenschaften des Planeten stark variieren, kann eine feinere Diskretisierung erforderlich sein. Das gilt auch für Umlaufbahnen in geringer Höhe.
Das Feature Planet Properties orientiert den Planeten unter dem Satelliten zur Startzeit und beschreibt die Strahlungseigenschaften des Planeten.
Das nächste Feature, Orbital Parameters, enthält die Einstellungen zur Definition der Bahn in Bezug auf die sechs Keplerschen Bahnelemente einer elliptischen Bahn: große Halbachse, Exzentrizität, Inklination, Längengrad des aufsteigenden Knotens, Argument der Periapsis und die wahre Anomalie zum Startzeitpunkt. Kreisförmige, elliptisch-äquatoriale und kreisförmig-äquatoriale Bahnen können ebenfalls mit einer reduzierten Anzahl von Parametern definiert werden.
Das Feature Orbital Parameters wird verwendet, um die Bahnelemente anzugeben.
Das Feature Spacecraft Axes definiert die Achsenrichtungen des Satelliten-Koordinatensystems. Diese Achsen können in den CAD-Koordinaten oder durch Auswahl einer Fläche des Satelliten angegeben werden. In diesem Fall wird die Richtung senkrecht zur Fläche verwendet. Dies ist nützlich, wenn ein Instrument in eine bestimmte Richtung ausgerichtet werden soll. Die gewählte sekundäre Ausrichtungsrichtung muss nicht senkrecht zur primären Richtung sein; es wird die Projektion des sekundären Vektors auf die Ebene senkrecht zur primären Richtung genommen. Die dritte Achse vervollständigt ein rechtshändiges Koordinatensystem. Es ist möglich, verschiedene Koordinatensysteme zu definieren, die in Verbindung mit dem Feature Spacecraft Orientation verwendet werden.
Das Feature Spacecraft Axes definiert die primäre und sekundäre Ausrichtungsrichtung.
Das Feature Spacecraft Orientation definiert die Richtungen, in die die primären und sekundären Achsen des Raumschiffs ausgerichtet sind, sowie gegebenenfalls die Rotationen um die primäre, sekundäre und tertiäre Richtung. Die Orientierungsrichtungen können eine der folgenden sein: Zenit/Nadir, Sun/AntiSun, Velocity/Antivelocity, Orbit Normal/Antinormal, Celestial Point oder Ground Station. Der Satellit wird genau auf die primäre Ausrichtungsrichtung ausgerichtet und so gedreht, dass die sekundäre Ausrichtungsrichtung des Raumfahrzeugs auf die sekundäre Orientierungsrichtung zeigt.
Das Feature Spacecraft Orientation definiert zusammen mit dem Feature Spacecraft Axes, wie der Satellit im Lauf der Zeit positioniert ist.
Wenn es nur jeweils ein Feature Spacecraft Axes und Spacecraft Orientation gibt, dann werden diese für die gesamte Analyse verwendet. Es ist möglich, mehrere Instanzen dieser Features zu verwenden und zwischen ihnen zu wechseln, um eine Vielzahl von Bahnmanövern zu ermöglichen. Um zwischen den Definitionskombinationen zu wechseln, wird das Feature Generate Events Interface verwendet, das Sequenzen von Bahnmanövern unterstützt, zum Beispiel die Ausrichtung auf einen bestimmten geografischen Ort, während sich der Satellit in Reichweite befindet.
Das Interface Events hat noch einen weiteren Zweck, der sich durch alle Anwendungsfälle zieht: Die Verfolgung von Eklipsen. Die Zeitpunkte, zu denen der Satellit in die Eklipse eintritt und sie wieder verlässt, werden verwendet, um dem Löser zu signalisieren, dass eine Änderung der thermischen Belastung stattfindet.
Das Feature Generate Events Interface füllt den Knoten Orbital Thermal Loads Events innerhalb des Interfaces Events. Eklipsen werden immer berücksichtigt.
Das Feature Ground Pointing kann dazu verwendet werden, zusätzliche Ereignisse einzurichten, die den Satelliten unter verschiedenen Bedingungen auf einen geografischen Standort ausrichten.
Die übrigen Features im Interface, die Features Diffuse Surface, Initial Values und Opacity, beziehen sich alle auf die Modellierung der Emission und Reflexion der verschiedenen modellierten Oberflächen.
Was die thermische Modellierung betrifft, so ist der Workflow, sobald die Umgebungslasten berechnet sind, identisch mit jedem anderen Modell, das Wärmeleitung und Strahlung berücksichtigt. Das Interface Orbital Thermal Loads löst den Wärmetransport durch Strahlung und ist mit dem Interface Heat Transfer in Solids gekoppelt, das die Wärmeleitung innerhalb der festen Struktur des Satelliten berücksichtigt und es Ihnen außerdem ermöglicht, thermische Lasten innerhalb von Volumen oder Oberflächen zu definieren, die entweder konstant oder zeitlich variabel sein können. Darüber hinaus steht Ihnen das komplette Feature-Set des Heat Transfer Module zur Verfügung, einschließlich:
- Konduktiver Wärmetransport in dünnwandigen Teilen
- Thermischer Kontaktwiderstand über Grenzflächen
- Phasenwechselmaterialien
- Konvektiver Wärmetransport in Fluiden
- Thermische Lumped-Verbindungen und -Komponenten
Sobald Sie das Problem vollständig definiert und die thermischen Lasten auf der Umlaufbahn sowie die Temperatur berechnet haben, erhalten Sie eine Reihe von Standard-Plots und können darüber hinaus eine beliebige Anzahl anderer Visualisierungen der Daten erstellen. Schauen wir uns einige davon an…
Ein Plot, der die Umlaufbahn um die Erde, den Sonnenvektor und die Ausrichtung des Satelliten zeigt. Bild: Visible Earth und NASA.
Ein Plot der Gesamteinstrahlung aus allen Umgebungsquellen sowie des Sonnenvektors über die Zeit und die Nadir-Richtung.
Ein Plot, der die Temperatur verschiedener Komponenten innerhalb eines kleinen Satelliten zeigt. Einige Außenflächen sind ausgeblendet.
Ein Plot der Temperatur einiger Komponenten, die über mehrere Orbits zu einem zyklusperiodischen Zustand konvergieren.
Abschließende Bemerkungen
Mit dem Interface Orbital Thermal Loads ist es jetzt möglich, schnell ein thermisches Modell eines Satelliten in einer Umlaufbahn zu erstellen, um die Betriebsleistung vorherzusagen. Das Interface ist ein hervorragendes Werkzeug für Ingenieure, die an der Planung und dem Design eines Satelliten arbeiten. Für Nutzer des Heat Transfer Module, die sofort loslegen möchten, gibt es die folgenden Beispiele:
Anmerkung der Redaktion: Mehr über die thermische Modellierung von kleinen Satelliten erfahren Sie in diesem Artikel von Walter Frei in Tech Briefs, veröffentlicht am 1. Januar 2023.
LiveLink ist eine Marke der COMSOL AB. Parasolid ist eine Marke oder eingetragene Marke der Siemens Product Lifecycle Management Software Inc. oder ihrer Tochtergesellschaften in den U.S.A. und in anderen Ländern. ACIS ist eine eingetragene Marke der Spatial Corporation.
Kommentare (0)