Neu auf dem Lehrplan der pharmazeutischen Wissenschaften: Quantitative Systems Pharmacology

Das University of Oklahoma College of Pharmacy lehrt Doktoranden der pharmazeutischen Wissenschaften, wie man Multiskalenmodelle erstellt, um die Verteilung von Medikamenten im menschlichen Körper zu analysieren.


Von Bridget Paulus
Juli 2019

Die Optimierung von Medikamentendosierungen, die Bewertung von Nebenwirkungen, die Verbesserung klinischer Studien und die Reduzierung von Kosten und Markteinführungszeiten – das sind nur einige der Vorteile einer modellgestützten Medikamentenentwicklung. Aufgrund dieser Vorteile ermutigt die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) Pharmaunternehmen, Simulationen in ihre Produktentwicklungszyklen einzubeziehen. Es gibt nur ein Problem: Die Unternehmen haben oft Schwierigkeiten, Kandidaten mit fundierter Simulationserfahrung zu finden, da die mathematische Modellierung in den meisten Studiengängen der pharmazeutischen Wissenschaften kaum eine Rolle spielt.

Um dieses Problem in Angriff zu nehmen, haben sich das Institute of Quantitative Systems Pharmacology und das College of Pharmacy am University of Oklahoma Health Sciences Center im Jahr 2014 zusammengetan, um einen innovativen Lehrplan zu entwickeln. Im Rahmen dieses Programms hat Research Assistant Professor Roberto A. Abbiati einen Simulations-Kurs für Doktoranden der pharmazeutischen Wissenschaften am University of Oklahoma College of Pharmacy gestaltet. Der Kurs gibt einen Überblick über die numerische Analyse und den Modellierungsworkflow in der Software COMSOL Multiphysics®. Die Studenten lernen, wie man die Modellierung auf die Pharmakokinetik anwendet, den Zweig der Pharmakologie, der die Wirkung des menschlichen Körpers auf die verabreichten Medikamente untersucht. Insbesondere wendet Abbiati die Modellierung an, um die Quantifizierung von Medikamentenkonzentrationen im menschlichen Körper an den vorgesehenen Zielorten im Lauf der Zeit zu rationalisieren - ein wichtiges Anliegen bei der Entwicklung potenziell lebensrettender Behandlungen.

Vermittlung der Modellierung an die nächste Generation von pharmazeutischen Wissenschaftlern

Studenten der pharmazeutischen Wissenschaften lernen eine Vielzahl von Themen, aber Simulationen gehören normalerweise nicht dazu. Laut Abbiati ist das ein Problem: „Modellierung und Simulation sind nicht nur eine von den Unternehmen erwünschte Fähigkeit, sondern helfen auch dabei, bessere Experimente zu entwerfen“, sagt er.

Abbiatis Kurse sollen Doktoranden der pharmazeutischen Wissenschaften vermitteln, wie sie die Vorteile der Simulationssoftware für ihre Arbeit nutzen können. Der Kurs beginnt mit der Software MATLAB®, die als Brücke zu anderen mathematischen Modellierungsprogrammen dient. Im weiteren Verlauf des Kurses befassen sich Abbiati und seine Studenten mit numerischen Analysen und der Finite-Elemente-Methode.

Schließlich lernen die Studenten, wie man Modelle in COMSOL Multiphysics erstellt. Abbiati führt sie durch jeden Schritt des Modellierungs-Workflows. Die Studenten lernen, wie man Geometrien erstellt (beginnend in 2D, wie im Beispiel der laminaren Strömung in Abbildung 1), die Physik einrichtet, das beste Netz für ein Modell bestimmt (Abbildung 2) und die Ergebnisse nachbereitet (Abbildung 3).

Abbildung 1. Geschwindigkeitsverteilung für eine laminare Strömung in einem Kanal.
Abbildung 2. Netzvergleich zur Einführung der Studenten in verschiedene Netzoptionen.
Abbildung 3. Geschwindigkeitsverteilung für eine laminare Strömung in einem Kanal mit unterschiedlich großen Hindernissen, ein Beispiel aus Abbiatis Kurs.

Im Laufe des Kurses lernen die Teilnehmer, wie man sowohl Kompartiment- als auch Multiskalen-Modelle erstellt. Kompartiment-Modelle sind der Standard für pharmakokinetische Anwendungen und ein leichter zu verstehendes Konzept. Abbiati sagt, dass ein typisches Kompartiment-Modell „davon ausgeht, dass der menschliche Körper wie eine Box ist, mit einem Fluss hinein und einem Fluss heraus.“ Die Kompartiment-Modellierung ist eine einfache Methode, um mithilfe gewöhnlicher Differentialgleichungen die Medikamentenkonzentration im menschlichen Körper über die Zeit zu bestimmen. Allerdings gibt es bei dieser Art von Modell eine große Einschränkung. „Es kann nicht bestimmen, wo das Medikament in bestimmten Geweben lokalisiert ist, was eine kritische Einschränkung bei verschiedenen Anwendungen, einschließlich der Krebsbehandlung, darstellt“, sagt Abbiati.

Hier kommt die Multiskalen-Modellierung ins Spiel. Obwohl sie im Vergleich zur Kompartiment-Modellierung ein detaillierteres Verständnis der physiologischen und biologischen Prozesse erfordert, kann die Multiskalen-Modellierung wertvolle Erkenntnisse darüber liefern, wie tief ein Medikament in ein bestimmtes Gewebe oder Organ eindringen kann. Bei dieser Art von Simulation werden Größenordnungen berücksichtigt, die vom gesamten menschlichen Körper, einzelnen Organen und Zellen bis hin zur molekularen Ebene reichen. Obwohl das nach einem komplexen Thema klingt, demonstriert Abbiati einen schrittweisen Ansatz, der für die Studenten leicht zu erlernen ist.

Einblicke in die Tumorbehandlung

Dr. Abbiati hebt die Vorteile der Multiskalen-Modellierung für die Pharmakokinetik hervor, in dem er einige seiner eigenen Forschungsarbeiten vorstellt, die er mit seinem Team am Institute of Quantitative Systems Pharmacology durchführt. Er untersucht derzeit, wie Medikamente mit festen Tumoren interagieren.

Die Medikamente, die normalerweise über den Blutkreislauf transportiert werden, haben es schwer, in diese Tumore einzudringen. Das Problem ist, dass diese Art von Tumoren „physikalische Barrieren haben, die die Verabreichung von Medikamenten einschränken“, erklärt Abbiati. So herrscht in Tumoren beispielweise oft ein hoher Druck, der es dem Medikament erschwert, in sie hineinzugelangen.

"Ich verwende COMSOL®, um zu verstehen, warum und wie die physikalische Struktur des Tumors eine Barriere für die Verabreichung des Medikaments darstellt", erklärt Abbiati. Für diese Untersuchung nutzt er Multiphysik-Simulationen, um den Blutfluss in den mikrovaskulären Gefäßen, den Medikamententransport im Tumorzwischenraum und die Wechselwirkung des Medikaments mit den Tumorzellen zu modellieren. Abbiati modellierte, wie sich die Flüssigkeiten entsprechend dem Druckgradienten innerhalb einer Tumormasse bewegen, wobei er davon ausging, dass die Flüssigkeit das Medikament mit sich führt. Um die Medikamentenkonzentration zu beschreiben, verwendete er das Interface Transport of Diluted Species.

Abbiati sagt, dass er dieses Modell verwenden konnte, „um zu bestimmen, wie tief das Medikament in den Tumor eindringt, abhängig von den Veränderungen seiner physischen Struktur über die Zeit“ (Abbildung 4). Der Vorteil der Multiphysik-Analyse bestand darin, dass er „beschreiben konnte, wo sich das Medikament zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einer bestimmten Stelle des Tumors befindet“. Aus seiner Forschung geht hervor, dass die Multiskalen-Modellierung ein nützliches Werkzeug für die Pharmakokinetik ist, welches es den Forschern ermöglicht, besser zu verstehen, wie die Medikamentenkonzentrationen im menschlichen Körper beeinflusst werden.

Abbildung 4. Das Medikamentenkonzentrationsprofil in einem Tumor.

Indem er in seinen Kursen der pharmazeutischen Wissenschaften Simulationen einbezieht, vermittelt Abbiati den Doktoranden eine wertvolle Fähigkeit für die Medikamentenforschung, die zukünftige Prozesse der Medikamentenentwicklung erheblich verbessern könnte. Davon abgesehen sind diese Studenten, wenn sie in das Berufsleben starten, durch ihren Simulationshintergrund auch attraktiver für Pharmaunternehmen.

Roberto A. Abbiati, Professor am University of Oklahoma Health Sciences Center.



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