Entwicklung von ESD-sicheren elektronischen Komponenten

1. Aug 2024

Stellen Sie sich Folgendes vor: An einem trockenen Wintertag liegen Sie eingekuschelt auf der Couch und tragen ein Paar Wollsocken, um sich warm zu halten. Auf einmal klingelt es an der Tür, woraufhin Sie schnell zur Tür eilen und dabei über einen Teppich laufen. Als Sie den metallenen Türknauf berühren, gibt es plötzlich einen Schlag. Autsch! Für Hersteller elektronischer Geräte kann dieses Phänomen der elektrostatischen Entladung (Electrostatic Discharge, ESD) bei industriellen Anwendungen erhebliche Probleme verursachen. In diesem Blog-Beitrag erfahren Sie, wie Modellierung und Simulation zur Lösung des Problems beitragen können.

Arten von ESD-Schäden an Geräten

Ein Blitz ist das häufigste und sichtbarste Beispiel für eine elektrostatische Entladung, doch nicht alle ESD-Ereignisse verursachen einen sichtbaren Funken. Die Menge der statischen elektrischen Ladung, die sich auf einem Objekt ansammelt, hängt von dessen Material, der Oberfläche und der relativen Luftfeuchtigkeit der Umgebung ab. ESD kann auch durch elektrostatische Induktion verursacht werden, die auftritt, wenn ein elektrisch geladenes Objekt ein elektrostatisches Feld um ein vom Boden isoliertes leitfähiges Objekt erzeugt.

Ein realer Blitz.
Abbildung 1. Ein ESD-Ereignis mit sichtbarer Funkenbildung. Foto von P. Mikołajek, lizenziert unter der Lizenz Creative Commons Attribution-Sharealike 4.0 International über Wikimedia Commons.

Diese elektrostatischen Entladungen können einige Volt bis mehrere Kilovolt freisetzen. Allerdings kann selbst eine Niederspannungsentladung schwere Schäden an elektronischen Bauteilen wie einfachen Dioden, aber auch komplexen integrierten Schaltkreisen verursachen. Auch ein Mensch kann eine Ladung übertragen, die ausreicht, um die Leistung elektronischer Geräte und Komponenten zu beeinträchtigen, was zu Datenverlust, Dateibeschädigung und Systemabstürzen führen kann! Daher ist es wichtig, elektrostatische Entladungen während der Herstellung, Montage und des Versands dieser Bauelemente sowie im fertigen Gerät selbst zu verhindern.

Verständnis und Vorbeugung von ESD-Schäden

Um Schäden durch elektrostatische Entladungen zu vermeiden, müssen elektronische Geräte und Systeme eine Reihe von Tests auf Komponenten-, Leiterplatten- und Systemebene bestehen. Solche Tests können jedoch erst nach der Fertigung der Komponente oder des Systems helfen. Die Software COMSOL Multiphysics® ermöglicht die Identifizierung von ESD-Problemen während der Designphase und liefert gleichzeitig detaillierte Informationen über die Verteilung elektromagnetischer Felder, die ansonsten nur sehr schwer genau zu messen sind. Dieses Wissen ist entscheidend, um zu verstehen, warum ESD-Schäden auftreten und wie sie behoben werden können.

Ein ESD-Ereignis kann zu Isolations- oder Logikfehlern in Chips führen. Ein Logikfehler kann auftreten, wenn ein Pin, der einen Low-Pegel (0) haben sollte, für mehr als 1 ns eine Spannung mit einer Amplitude von mehr als 1,5 V oder für mehr als 5 ns eine Spannung mit einer Amplitude von mehr als 0,3 V erfährt. Dies führt dazu, dass der Pin irrtümlich in einen High-Pegel (1) übergeht.

Schauen wir uns an, wie ESD in einem Mikrochip auf einer Leiterplatte Logikfehler verursachen kann.

Modellierung von ESD in Leiterplatten

Das RF Module, ein Add-On-Produkt zu COMSOL Multiphysics®, verfügt über ein integriertes Physik-Interface zur Untersuchung von ESD-Strömen, die in der Regel nichtlinear sind und eine transiente 3D-Analyse erfordern. Das Interface Electromagnetic Waves, Transient enthält vier vordefinierte ESD-Ströme, um verschiedenen Teststandards gerecht zu werden, und unterstützt vordefinierte und parametrisierte zeitliche Pulsfunktionen, die häufig zur Beschreibung von ESD und Blitzen verwendet werden. Zur leichteren Überprüfung können die Pulsformen vor dem Ausführen der Simulation sofort angezeigt werden, um sicherzustellen, dass die gewählten Funktionsparameter geeignet sind.

In diesem Modell wurde der ESD-Strom mithilfe des Features Lumped Port unter Verwendung des Standards des erweiterten Human-Body-Modells (HBM) erzeugt, um unter den schwierigsten Bedingungen zu testen (Abbildung 2).

Eine Tabelle mit einem Plot des Pulsstroms in Abhängigkeit von der Zeit.
Abbildung 2. ESD-Strom basierend auf dem erweiterten HBM.

Wir werden hier nicht im Detail darauf eingehen, wie dieses Modell erstellt wird, aber Sie können die MPH-Datei und die zugehörigen Anweisungen gerne am Ende dieses Blog-Beitrags herunterladen.

Ergebnisse

An zwei Pins (1, 2) eines Mikrochips werden die induzierten Spannungen berechnet, um zu ermitteln, ob ein Fehler aufgrund von elektrostatischer Entladung auftreten wird. Die Abbildung unten links zeigt die induzierte Oberflächenstromdichte durch den ESD-Strom bei t = 1,2 ns. Die Abbildung unten rechts zeigt die berechnete induzierte Spannung an zwei Pins (1, 2) des Chips.

Abbildung 3. Induzierte Oberflächenströme und ‑spannungen an zwei Pins auf dem Mikrochip. Eine fiktive Fingerspitze wurde nur zur Veranschaulichung hinzugefügt.

Wie zu sehen ist, hat die induzierte Spannung an Pin 2 eine Amplitude von mehr als 1,5 V und löst mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Logikfehler aus.

Die Norm der Oberflächenstromdichte, dargestellt auf einer logarithmischen Skala als Funktion der Zeit.

Strategie zur Vermeidung von ESD-Schäden

ESD ist ein häufig auftretendes Phänomen und eine Hauptursache für Schäden und Ausfälle in elektronischen Geräten. Da die Größe der Geräte immer weiter abnimmt und die Schaltkreisdichte immer weiter zunimmt, wird es für Hersteller zunehmend wichtiger, der Vermeidung von ESD-Schäden besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Die numerische Simulation bietet die Möglichkeit, diese kleinen Geräte genau zu untersuchen und das Design präzise zu modellieren und zu optimieren, bevor ein physischer Prototyp gebaut werden muss. Sie kann auch als Vorkonformitätsmaßnahme eingesetzt werden, um Tests effektiv zu ergänzen. Das Bestehen eines simulierten Tests kann die Zuversicht stärken, dass auch ein physischer Test erfolgreich sein wird. Simulation kann auch einen Einblick in Fehlermechanismen und den Stromfluss bieten und Lösungsansätze aufzeigen.

Nächste Schritte

Möchten Sie dieses Modell für elektrostatische Entladungen selbst ausprobieren? Alle Modelldateien, einschließlich einer Schritt-für-Schritt-Anleitung, stehen in der Application Gallery zum Download bereit.


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